Trollo:die Chance, den Anderen zuzuhören… Neue Formate für politische Bildung auf spielerische Weise über ernste Themen

Deniss Hanovs · 

Gespräch mit Max Gede, einem Couch und zivilgesellschaftlichen Aktivisten

 

Du bist der Autor des Spiels „TROLLO“. Im Rahmen des Projektes "Im Plural" haben wir deine Methoden mehrmals erfolgreich angewendet und mehrere Vereine haben Interesse daran gehabt. Könntest Du kurz die Hauptidee des Formats erklären?

Max zur 1.: Das Spiel ist diskursiv, was bedeutet, dass die Spielenden nur durch Argumentation im Spiel gewinnen können. Die Spielenden bekommen von der Moderation je eine Rollenkarte, auf der entweder „Bürger*in“ oder „TROLL“ und die jeweilige Rollenbeschreibung steht. Die Verteilung ist zufällig und anonym, auch für die Moderation. Die Rollen und das Setting (z.B. ein Nachbarschaftsrat o.Ä.) werden erklärt und drei Trollingtrategien werden erläutert: Whataboutism, Derailing, Sealioning. Es wird entweder eine bestimmte Agenda mit Problemen gewählt oder eine erarbeitet. In einem Konsensverfahren muss eine Lösung für das Problem argumentativ erarbeitet werden. Dabei sind die Bürger*innen sowohl an der Lösung interessiert, als auch an der Entlarvung der Trolle – die Spielenden lernen lösungsorientiert zu argumentieren, Trolling zu erkennen, zu benennen und anzuklagen. Nach jeder Runde werden Mitspielenden als Trolle nominiert, konstruktiv angeklagt und mehrheitlich abgestimmt verbannt. Sie müssen die Karte zeigen und können nicht mehr weiterspielen.

 

Welche zivilgesellschaftlichen Themen sind d .E. die akutesten in der modernen deutschen Demokratie?

Max zur 2.: Meiner Meinung nach ist Klimawandel absolut zentral, da es eine unumstrittene Katastrophe ist, bis hin zur menschlichen Extinktion – angesichts dieser sind alle anderen Themen entweder absurd oder ordnen sich unter: Kriege um Land und Ressourcen, Kampf der Systeme, Kulturkämpfe, Umverteilung. Alles wichtig und nicht zu vernachlässigen, aber irrelevant auf einem toten Planeten. Kriegen wir die Kurve nicht vor dem Point of no Return, ist die Mühe vergebens. In meinem Alltag widme ich mich daher einer Streitkultur, die konstruktiv und einigend ist, die für eine friedliche Koexistenz ist. Denn wir werden alle dafür benötigt, die Katastrophe vorzubeugen. In meinem Essay „Extinktionalismus“ handele ich das Thema philosophisch ab und gehe tiefer, als es hier möglich ist.

 

Wie schätzest du den Zustand der Demokratie - welche Risiken für die Stabilität der politischen Kultur siehst du heute und wie kann man sich diesen Gefahren widersetzen?

Max zur 3.: Die aktuelle Demokratie tut sich keinen Gefallen – sie befindet sich in einem Kampf der Systeme, und zwar nicht im Vorteil. Wenn wir heute von Demokratie reden, dann ist damit nur die repräsentative parlamentarische Demokratie gemeint. Und die Kritik an dieser wird zu schnell als antidemokratisch abgetan. Dabei hat sich die Demokratie stark weiter entwickelt: partizipative, deliberative, Liquid Democracy, demokratischer Sozialismus – alles Ansätze, die aus der Kritik an Krise der Repräsentanz entstanden sind und als progressiv gelten. Doch das Phänomen der „Berufspolitiker*innen“ hält daran fest. Wenn wir der Demokratie ihren Fortschritt nicht gewähren, verlieren wir gegen ihre Gegner*innen, ob an der Wahlurne, am Weltmarkt oder auf dem Schlachtfeld in der Ukraine.